Das Unterhaltsrecht muss reformiert werden. Ein Beitrag zur aktuellen politischen Diskussion

Stellen Sie sich vor, ein Paar trennt sich und entscheidet sich dafür, dass die Kinder vier Tage die Woche beim Vater und drei Tage bei der Mutter leben. Unabhängig davon, ob die Mutter mehr oder weniger als der Vater verdient, wäre in diesem Fall die Mutter im vollen Umfang für die Kinder gegenüber dem Vater unterhaltspflichtig. Der Vater wäre steuerlich und rechtlich besser gestellt und gälte als „Allein-Erziehender“ Elternteil. Als wäre das Engagement und die Fürsorge der Mutter schlicht nicht vorhanden.

Wie würde sich wohl diese Mutter fühlen? Wie würde dieser Umstand gesellschaftlich bewertet?

Die Situation in der sich die Mutter in dieser Geschichte befindet ist mit vertauschten Vorzeichen, für viele Väter Realität. Das derzeitige Unterhaltsrecht benachteiligt auf eklatante Weise erzieherisches und fürsorgliches Engagement von engagierten Vätern. In Teilen wirkt das deutsche Familienrecht, als lebten Familien unverändert in der „Papa-arbeitet-Mama-kocht“-Zeit der westdeutschen 1950er-Jahre.

Und so kommt es, dass die aktuellen Unterhaltsregelungen keinen Unterschied machen, ob ein Vater sein Kind gar nicht, jedes zweite Wochenende oder an drei von sieben Tagen in der Woche betreut. Die Unterhaltshöhe bleibt davon unberührt. Ab dreieinhalb Tagen pro Woche, sprich 50 Prozent der Zeit, verändert sich jedoch alles.

Viele Konflikte, die zwischen getrennten Eltern um das Thema „Wechselmodell“ ausgetragen werden basieren auf dieser Regelung. Nur wenn die Betreuung der Kinder hälftig bzw. annähernd hälftig aufgeteilt wird, findet diese bei der Unterhaltsberechnung Berücksichtigung. Folglich sind viele Väter interessiert eine hälftige Betreuungsaufteilung der Kinder zu vereinbaren, um weniger bzw. keinen Unterhalt mehr zu zahlen. Und viele Mütter sind an einer hälftigen Betreuung vor allem deshalb nicht interessiert, weil sie dann keinen bzw. deutlich weniger Unterhalt bekommen würden.  Es werden fatale Fehlanreize gesetzt die ein Grund für eskalierende Familienkonflikte sind.

Wir begrüßen die Ankündigung einer Reformierung des Unterhaltsrechts durch die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Sie wäre ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung eines gesellschaftlichen und familienrechtlichen Leitbildes „Gemeinsam getrennt Erziehen“ und Elternschaft nach Trennungen auf Augenhöhe sein. Zukünftig sollte zwischen „Alleinerziehenden“ und „Getrennt Erziehenden“ unterschieden werden.

Ein reformiertes Unterhaltsrecht sollte die realen Kosten des Lebens von Kindern in beiden Haushalten berücksichtigen und Eltern flexible Lösungen ermöglichen. Eltern die gemeinsam getrennt erziehen bzw. das Wechselmodell praktizieren, sollten finanzielle Anreize erhalten. So sollten entstehende Mehrausgaben (z.B. zwei Kinderzimmer) durch einen Mehrbedarf abgedeckt und steuerliche Vorteile gewährt werden.

In der neuen Diskussion um eine Reform des Unterhalts steckt jedoch offenbar auch eine Menge Sprengstoff. Auf dem Deutschen Juristentag 2018 wurde etwa mit Sorge auch auf mögliche kontraproduktive Effekte einer Unterhaltsreform hingewiesen. „Es steht zu befürchten, dass es zur Verweigerung eines flexiblen und ausgedehnten Umgangs kommt, wenn die Grenze für den Unterhalt bereits bei 30% der Zeit beginnt. Bemerkt der betreuende Elternteil, dass geteilte Betreuung eine Kürzung seines eigenen Unterhalts bewirkt, wird er sich gegen ausgedehnte Umgangszeiten wehren.“ so die Kasseler Familienrichterin Gudrun Lies-Benachip in einem Vortrag über die Diskussionen beim Juristentag hervor. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen das „bereits ein „Normaler“ Umgang (= jedes 2. Wochenende + die Hälfte der Ferien) 28 Prozent der Jahres-Zeit ausmacht.“

Einen Vorgeschmack wie eine Reform bewertet wird gab es, als Bundesfamilienministerin Franziska Giffey Ihre Ansichten dazu zum Internationalen Frauentag im März in den Medien äußerte. Sofort setzte ein „Shitstorm“ ein: So titelte z.B. ein TAZ Kommentar vom 10.3.2019 damit: „Diese armen benachteiligten Väter“ um dann Giffeys Ankündigung mit dem Verweis auf andere Ungerechtigkeiten lächerlich zu machen. Die „Wirtschaftswoche“ befürchtete, eine “Reform könnte Mütter und Kinder schlechter stellen“ (15.3.2019. Die Tagesspiegel-Kolumnistin Hatice Akyün kam zu dem Schluss: „Es gibt so viele akute Baustellen, dass es wie Hohn klingt, wenn die Ministerin erst mal die Väter entlastet, statt sich dem Armutsrisiko von alleinerziehenden Müttern zu stellen.“ (15.03.2019).

Andere Medien jedoch argumentierten differenzierter. Der Leitartikel der ZEIT (vom 13.3.2019) etwa vermerkte: „Alle, die heute gegen Giffeys Reformpläne wettern, verlangen morgen, dass Väter nach der Geburt des Kindes zu Hause bleiben und ihre erwerbstätigen Frauen entlasten sollen. Man kann aber nicht die Abschaffung des Patriarchats fordern und dort, wo sich das zu den eigenen Ungunsten auswirken würde, für dessen Fortbestand kämpfen. Damit verprellen die vermeintlichen Kämpferinnen für die Sache der Frauen ausgerechnet jene modernen und progressiven Männer, die sie für die feministische Revolution dringend brauchen.“

 

Treffender kann man (frau) es unserer Meinung nach nicht ausdrücken.

 

 

BGH-Urteil: Aufwind für das Wechselmodell

Bisher hieß es, das Einvernehmen oder zumindest die gute Zusammenarbeit beider Eltern wäre Voraussetzung für ein Wechselmodell; lehne ein Elternteil diese Betreuungsform ab, sei eine richterliche Anordnung in der Regel nicht möglich. Der BGH ( Bundesgerichtshof)  hat mit dieser verbreiteten Vorstellung jetzt aufgeräumt und klargestellt, dass dieser vermeintliche Grundsatz so nicht zutrifft.

Eine Entscheidung  des OLG Nürnberg (AG Schwabach) wurde deshalb aufgehoben und an das OLG zurückverwiesen. Hier hatte der Vater eines 14jährigen Jungen die Betreuung im Wechselmodell beantragt. Die Mutter war dagegen. Das Familiengericht und das OLG entschieden gegen den Antrag des Vaters, der die zugelassene Rechtsbeschwerde einlegte, weshalb der Fall zum BGH kam. Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und verweist den Fall nun zurück. Begründung: Das Wechselmodell könne auch dann im Sinne des Kindeswohls liegen, wenn die Eltern sich nicht einig wären. Welche Betreuung im Sinne des Kindeswohls richtig sei, so der BGH in seiner Begründung, sei in jedem Einzelfall zu ermitteln. Dabei könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine paritätische Betreuung dem Kindeswohl widerspreche, nur weil ein Elternteil mit dieser nicht einverstanden sei. Da gerichtlich Entscheidungen zum Umgang und zum Sorgerecht zu treffen seien, wenn die Eltern sich nicht einig seien, könne in Bezug auf ein Wechselmodell grundsätzlich nichts anderes gelten. Der BGH stellt klar, dass Kinder, insbesondere der hier bereits 13jährige Sohn(!!!), vorher richterlich anzuhören sei. Dies war in diesem Fall nicht geschehen. Da der BGH eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, wurde die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Zweifellos wird diese Entscheidung dem Gedanken des Wechselmodells weiter Auftrieb verleihen. Wir begrüßen dies grundsätzlich, möchten aber auch bemerken, dass die Vorstellungen und Wünsche, sprich Interessen der betroffenen Kinder, im Mittelpunkt stehen müssen. Der Wunsch eines Elternteils in Bezug auf eine solche Betreuung ist also nicht für sich genommen maßgeblich, neu ist jedoch das die Ablehnung eines Elternteils dies auch nicht ist.
Aktenzeichen XII ZB 601/15

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2017&nr=77519&linked=bes&Blank=1&file=dokument.pdf