Sind „Indianer-Wochenenden“ für Väter und Kinder „rassistische und sexistische Kackscheiße“? – Antworten auf die Vorwürfe gegen unsere Arbeit
Als der Artikel „Unter Indianern“ in der Zeitschrift „Eltern Family“ erschien, waren wir stolz darauf, dass unser kleines Projekt in einem großen Medium eine größere Aufmerksamkeit bekam. Nach Erscheinen des Artikels erhielten wir auffällig viele neue Anfragen, insbesondere von Müttern die den Artikel gelesen hatten. Insofern – eine erfreuliche Entwicklung.
Als wir den Artikel später auf Facebook teilten, kamen kritische Kommentare, die teils den Charakter von Hate Speech und Shitstorm hatten. „Rassistische und sexistische Kackscheiße“ etwa lautete einer der Kommentare.
Solche Vorwürfe lassen uns nicht kalt. Wir sind keine Sexisten und keine Rassisten. Unsere Arbeit hat das Ziel, zur Gleichstellung von Männern und Frauen beizutragen und die Beziehungen zwischen Vätern und ihren Kindern zu unterstützen und zu fördern.
Ist es Rassismus, wenn man „Indianerwochenenden“ veranstaltet? Wir wollen die Gelegenheit nutzen, um einige Punkte klar zu stellen.
In den zurückliegenden 10 Jahren haben wir annähernd 100 Wochenendreisen mit Vätern und Kindern im Umweltzentrum Drei Eichen veranstaltet. Zwei Drittel der Teilnehmer nehmen mehrmals teil. Das Teilnehmerfeedback ist fast 100 % positiv.
Unsere Vater-Kind-Wochenenden finden in einem Naturschutzgebiet in Brandenburg statt. Unser Partner „Naturschutzpark Märkische Schweiz e.V.“ hat auf einer Waldlichtung ein Tipidorf gebaut. Die Zelte haben die Bauart der nomadischen indigenen Völker des nordamerikanischen Subkontinents, solange sie nicht von den Kolonisatoren und Einwanderern aus Europa verdrängt und zerstört worden waren. Hier in Drei Eichen ist es nahezu unmöglich, keine Assoziationen zu den Ureinwohnern Nordamerikas zu bekommen. Und so lag im Jahr 2008 nichts näher, als unser Wochenende auch so zu benennen: „Auf den Spuren der alten Indianer“ oder kurz „Indianerreisen“.
In unserem pädagogischen Konzept für diese Wochenendreisen heißt es: „Für einen kurzen Zeitraum bilden wir eine Gemeinschaft aus Vätern und Kindern. Leitgedanke ist eine Atmosphäre und einen Rahmen zu schaffen, in der Große und Kleine gleich wichtig für die Gemeinschaft sind und sie gemeinsam Spaß haben. Innerhalb der Gemeinschaft sollte es immer wieder Zeiten für Väter und ihre Kinder geben. Gemeinsames Erleben stärkt das Vater-Kind-Band. Für viele Väter, insbesondere die, die ihre Kinder nicht oft sehen (entweder wegen starker beruflicher Einbindung oder weil sie getrennt vom Kind leben), sind die Reisen Zeitinseln. Sie knüpfen ein starkes Band mit ihren Kindern, dass die beiden auch darüber hinaus (als schöne gemeinsame Erinnerung) verbindet. Der Austausch mit den anderen Vätern ist für viele eine neue Erfahrung und schafft den Raum für eine gelebte Männer-/Vätergemeinschaft. Achtsamkeit und Respekt sind unsere führenden Elemente. Hier orientieren wir uns an dem geistigen Erbe der nordamerikanischen Ureinwohner, deren höchstes Gut die Gemeinschaft mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen und der Natur war.“ Soweit die Leitgedanken für unsere Veranstaltungen.
Zu deren Umsetzung gehört, dass wir den ganzen Tag in der Natur verbringen und in den Tipi-Zelten übernachten. Smartphones, Tablets usw. müssen ausgeschaltet bleiben. Das „Leitmedium“ im Camp ist das Feuer. In der Mitte des Tipi-Dorfes soll es Tag und Nacht ohne Unterbrechung brennen. Um das Feuer sammelt sich die Gemeinschaft aus Vätern und Kindern um zu beratschlagen, Geschichten zu erzählen und zu singen.
Dies mag eine Vorstellung vom „Indianerleben“ sein, die man gern „romantisierend“ oder „idealisierend“ nennen kann, aber ist dies rassistisch, ausgrenzend, abwertend, in unterdrückerischer Absicht? Wir sind sicher: Nein.
Der Kritik, wir würden uns Kultur unhinterfragt aneignen, möchten wir entgegnen: Die Anlehnung an kulturelle Merkmale indigener Völker erfolgt bei uns als hohe Wertschätzung. Daraus folgt auch, dass viele Teilnehmer, Erwachsene wie Kinder, durch die Teilnahme am „Indianercamp“ erst dazu motiviert werden, sich mit der nordamerikanischen Geschichte, mit der Verdrängung uns in weiten Teilen Zerstörung der indigenen Völker Nordamerikas zu beschäftigen.
„Toxische“ Männlichkeit?
Die temporäre Gemeinschaft von Vätern und Kindern (beiderlei Geschlechts) wäre komplett missverstanden als Versuch einer Repatriarchalisierung. Ein Gegenindiz könnte immerhin sein, dass insbesondere Mütter, d.h. Partnerinnen der teilnehmenden Väter, ihre „Männer“ und Kinder gern für diese Wochenenden anmelden.
Ein weiterer Vorwurf in den Facebook-Kommentaren zielt auf eine unterstellte Verstärkung geschlechtsrollenstereotypen Verhaltens bei Jungen, auch „toxische Männlichkeit“ genannt. Was soll damit gemeint sein?
Im Artikel in der Eltern Family berichtet der Autor Philipp Hedemann folgendes: „Es wird geschrien, geflüstert und gelacht – nur geweint wird kaum. Auch Noah schreit nicht, wenn er hinfällt. „ Hat gar nicht wehgetan.“ Sagt er jedes Mal, wenn er wieder aufsteht. Einer der älteren Jungen hat ihm gesagt, dass Indianer angeblich keinen Schmerz kennen.“
Hier wird eine kurze Episode aus einem Vater-Kind-Wochenende erzählt, und nicht etwa von einem „erreichten Lernziel“ berichtet. Ein älterer Junge sagt etwas zu einem kleineren Jungen, der das wiederum aufgreift. Das kommt vor, in der Kita, in der Schule und bei unseren Vater-Kind-Wochenenden.
Unsere pädagogische Haltung und Auffassung ist völlig eindeutig. Selbstverständlich kann und darf ein Junge dann weinen, wenn er meint, dass er weinen möchte, oder wenn ihm danach zumute ist. Eine pädagogische Fachkraft sollte, ebenso wie ein Vater (oder eine Mutter) Jungen (und Mädchen) annehmen und bestärken, weinen zu dürfen, wenn ihm danach zumute ist; und er oder sie sollte Trost anbieten und geben. Wir fördern Jungen und Männer als diskurs- dialog- und reflexionsfähige und empathiefähige Menschen mit Emotionen, die gelebt werden können und sollen, untereinander und gegenüber anderen Geschlechtern. Konzeptionell und in unserer Praxis. Durchgehend, konsequent und erfolgreich.
Weinen die Kinder in unserem Camp also weniger, weil Kinder nicht weinen sollen? Oder liegt es daran, dass wir es schaffen, Vätern und Kinder einen Raum zu bieten in dem sie sich geborgen fühlen? Dazu abschließend ein Zitat eines Teilnehmers:
„An den drei Tagen (des Vater-Kind-Wochenendes) erlebten wir, (…) eine wunderbar intensive Zeit zu zweit in Gesellschaft von Gleichgesinnten. In dieser Atmosphäre schien die Zeit still zu stehen. Ich entdeckte hier an meinem sonst sehr zappligen Sohn Seiten, die ich zu vergessen zu haben schien: Ruhe, Gelassenheit und Harmonie. Er selbst schwärmt bis heute von seinem großen Abenteuer in Drei Eichen! Für uns stand schnell fest: So bald wie möglich wiederholen wir das wieder, und dann kommt auch der kleine Bruder mit!“